18. November 2021
Stiftungsrecht/Steuern|Stiftungsvermögen

Mehr Mut zur ertragreichen und wertsteigernden Vermögensanlage

von Rechtsanwalt Dr. Christoph Mecking, Institut für Stiftungsberatung

Oberste Pflicht einer jeden Stiftung ist die dauernde und nachhaltige Erfüllung ihrer steuerbegünstigten Satzungszwecke. Dies ist in der Regel nur bei geschickter Nutzung ausreichender finanzieller Ressourcen möglich. Damit ist die ertragbringende und zur Erhaltung der Leistungskraft wertsteigernde Verwaltung und Anlage des Stiftungsvermögens eine der wichtigsten Aufgaben der verantwortlichen Personen im Vorstand und in ggf. anderen beteiligten Gremien der Stiftung.

Überkommene Traditionen und Mythen der Vermögensanlage

In der Vergangenheit haben Stiftungen größtenteils in – vermeintlich – sichere Anleihen investiert. Stiftungsaufsichten empfehlen immer noch die überwiegende Anlage in „sichere Investments wie festverzinsliche Wertpapiere“ und halten die Anlage in Aktien nur dann für zulässig, wenn hierfür nicht mehr als ein Drittel des Vermögens eingesetzt wird.

Eine verbreitete und selbst in Argumentationslinien von Gerichten in Bezug genommene Auffassung geht mitunter sogar noch davon aus, Stiftungsgelder müssten „mündelsicher“ angelegt werden. Ein solches Gebot enthält jedoch weder das geltende Stiftungs- noch das Gemeinnützigkeitsrecht. Sie wird nur dann zur Pflicht, wenn die Satzung dies vorgibt; allerdings dürfte in solchen Fällen eine Satzungsänderung wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse Erfolg versprechend sein.

Mit der Betonung vermeintlicher Sicherheit hängt auch die Vorstellung zusammen, Aktien im Vermögensportfolio einer Stiftung seien, da per se gefährlich, gar nicht oder nur teilweise erlaubt. Generell verbindliche, feste Grenzziehungen für den Aktienanteil, wie die von Stiftungsaufsichten vorgegebene Ein-Drittel-Regel, gibt es aber nicht. Entsprechende Vorgaben mögen sich aus den (strengen) Regeln für den Deckungsstock und das sonstige gebundene Vermögen von Versicherungsunternehmen ableiten. Da aber eine entsprechende verbindliche Bestimmung für Stiftungen fehlt, kann und sollte bzw. muss sogar von dieser Vorgabe abgewichen werden. Schließlich entscheidet der Stifterwille. Und dieser ist regelmäßig auf die Zweckerfüllung gerichtet.

Solche, nicht selten irrige Vorstellungen werden durch eine übervorsichtige Haltung von Vorständen befördert, die nicht eigenes, sondern treuhänderisch fremdes Geld verwalten, das zudem für gute Zwecke zu verwenden ist. Daraus resultiert nicht selten die Neigung, in der Vermögensanlage nicht proaktiv, sondern überaus zurückhaltend aufzutreten. Auch die verbreitete Ehrenamtlichkeit der Vorstände verhindert eine tiefergehende fachliche Beschäftigung mit dieser Thematik. Vorstandsmitglieder sind auch häufig nicht wegen ihrer wirtschaftlichen Kompetenzen, sondern wegen ihrer guten Verbindungen in der Region oder ihrer Kenntnisse auf dem Gebiet des Stiftungszwecks in ihr Amt gewählt worden. Verstärkt werden Zurückhaltung und Fehleinschätzung auch durch die Amtswalter in den Stiftungsaufsichtsbehörden, die bei Anfragen zurückhaltend sind und häufig eher Bedenken äußern, als sich intensiv mit neuen Instrumenten oder kreativen Ansätzen in der Vermögensanlage zu befassen. Vor dem Hintergrund ist es jedenfalls nicht verwunderlich, dass bei den Verantwortlichen zum Teil immer noch große Unsicherheiten bestehen, wenn es um die Anlage des Stiftungsvermögens geht.

Umdenken erforderlich

Doch die anhaltend niedrigen, zum Teil sogar negativen Zinsen an den Kapitalmärkten, insbesondere bei als sehr sicher beschriebenen Anlageformen, erfordern eine Neubewertung der Einschätzung, welches Asset mit Blick auf die Anforderungen von Stiftungen tatsächlich sicher ist und welches nicht. Die überwiegende Anlage in mehr oder weniger ertraglose, schlimmstenfalls sogar verlustbringende festverzinsliche Anleihen kann jedenfalls nicht sachgerecht sein. Inflation und laufende Verwahrentgelte lassen das Vermögen schrumpfen. Und erwirtschaftet die Stiftung keine (ausreichenden) Erträge, kann sie ihre Zwecke nicht verwirklichen – schlimmstenfalls drohen ihr damit der Verlust der Gemeinnützigkeit und sogar die Aufhebung. Stiftungen sind damit letztlich gezwungen, ihr herkömmliches Anlageverhalten zu ändern.

Die Verantwortlichen in Stiftungen sollten also prüfen, ob sie liquide Vermögenswerte, teilweise noch auf Festgeld- oder Girokonten „geparkt“, in Aktien(fonds) anlegen oder nicht, kaum oder negativ rentierende Anlageformen entsprechend umschichten können. Denn anders als Anleihen weisen etwa Aktien keine nennenswerten Verzerrungen durch die Eingriffe der EZB auf. Ihr Kurs-Gewinn-Verhältnis rangiert als einziges aller Anlageklassen ziemlich genau auf dem gleichen mittleren Niveau, auf dem es vor der Finanzkrise war. Und je länger der Anlagezeitraum, desto geringer sind bei Aktien die Verlustrisiken, was Stiftungen für die Aktionärsrolle geradezu prädestiniert. Als Sachwerte mit laufenden Dividendenzahlungen passen – die vermeintlich risikobehafteten – Aktien zu Stiftungen mit ihrem langfristigen Anlagehorizont und ihrem Bedürfnis nach regelmäßigen Mittelzuweisungen tatsächlich besonders gut. Ein Aktienanteil von 50 % im Portfolio erscheint jedenfalls vertretbar.

Allerdings sollten auch hier auf eine angemessene Diversifikation – also die Streuung des Vermögens über verschiedene Schuldner, Anlageinstrumente und auch unabhängige Finanzdienstleister – geachtet und eine Fachberatung eingeholt werden. Ein gut ausbalanciertes Portfolio erhöht Ertragschancen, optimiert Geldflüsse und minimiert Ausfall- und Verlustrisiken – auch in einer Krise. Das für die jeweilige Stiftung aktuell sinnvoll(st)e Mischungsverhältnis kann und soll in Anlagerichtlinien festgeschrieben werden. Durch die hierfür notwendige intensive Befassung mit der Materie und entsprechende Dokumentation sollte zudem die Forderung des Stiftungsrechts, dass die verantwortlichen Entscheider in der Stiftung mit der „Sorgfalt eines Sachwalters fremden Vermögens“ agieren, erfüllt sein.

Übrigens: Durch das am 01.07.2023 in Kraft tretende neue BGB-Stiftungsrecht gilt die zuvor schon häufig in Bezug genommene Business Judgement Rule des Aktienrechts nunmehr auch explizit für Mitglieder von Stiftungsorganen. Danach steht auch den Entscheidern in Stiftungen in der konkreten Entscheidungssituation ein prinzipiell weiter – haftungsfreien – Ermessenspielraum zu, wenn diese ihre Entscheidungen mit der „Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters“, also „auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle“ der Stiftung treffen. Die Verantwortlichen haben das Stiftungsvermögen letztlich stets so anzulegen, dass das Verhältnis zwischen Rendite, Sicherheit und Liquidität unter Berücksichtigung der spezifischen Situation der Stiftung entsprechend austariert ist und die gewählte Anlagestrategie der langfristigen und weitreichenden Verwirklichung des Stiftungszwecks dient.

Für Stiftungen bieten sich grundsätzlich gerade auch Fonds an, denn diese sind nicht nur diversifiziert investiert, sondern werden zudem von Experten professionell und aktiv gemanagt und entlasten damit zu einem gewissen Grad nicht zuletzt auch die Stiftungsverantwortlichen. Sie sollten aber zuvor die Kostenlast bedenken und bleiben aber weiterhin in ihrer Verantwortung, auch die externen Vermögensverwalter regelmäßig zu kontrollieren.

Ein gelungenes Beispiel aus der Praxis

Die Share Value Stiftung hat ihr Vermögen in Höhe von knapp 50 Mio. € sogar zu 100 % direkt in Einzelaktien und Publikumsfonds allokiert. Für diese progressive Anlagepolitik, die der Stifter bereits in der Satzung der Stiftung festgeschrieben hat und die der Stiftung eine durchschnittliche Rendite von 15,4 % über die letzten acht Jahre gebracht hat, wurde sie jüngst sogar mit dem Portfolio Institutionell Award „Beste Stiftung“ ausgezeichnet. Die Stiftung investiert nach dem Prinzip des „Value-Investing“ und unter Berücksichtigung von Erkenntnissen der Verhaltensökonomie aktiv in unterbewertete Aktien von Unternehmen mit nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen; dabei wird sie von professionellen externen Anlageberatern unterstützt. Mit dieser Strategie konnte sie die ihr jährlich zur Zweckverwirklichung zur Verfügung stehende Fördersumme seit ihre Gründung kontinuierlich steigern und ihr ursprüngliches Grundstockvermögen um mehr als 300 % steigern.

Fazit

Es ist höchste Zeit, dass sich die verantwortlichen Entscheider in Stiftungen, aber auch die Mitarbeiter der Stiftungsaufsichten von Mythen bezüglich der Anlage von Stiftungsvermögen lösen, diese Aufgabe offener und mutiger angehen und dabei die bestehenden Möglichkeiten zur Ertragserzielung bei gleichzeitiger Werterhaltung und damit der dauerhaften Verwirklichung des steuerbegünstigten Stiftungszwecks nutzen. Positive Beispiele aus der Stiftungspraxis zeigen, welche Potenziale etwa Aktien im Anlageportfolio einer Stiftung bergen können. Dabei muss nicht zwingend, der Großteil des Vermögens in Aktien angelegt sein; ein diversifiziertes und auf die spezifischen (Förder)Bedürfnisse der Stiftung abgestimmtes Portfolio wird in der Regel den größten Erfolg bringen.

Dr. Christoph Mecking ist geschäftsführender Gesellschafter des Instituts für Stiftungsberatung und der Firma LEGATUR, Rechtsanwalt in eigener Kanzlei, die bei allen Fragen in Zusammenhang mit gemeinnützigen Körperschaften berät, sowie Mitherausgeber des Fachmagazins Stiftung&Sponsoring. Er ist Dozent an der Akademie Deutscher Genossenschaften.

Dr. Christoph Mecking
Rechtsanwalt
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